Wer hat Lust auf Neues? Veränderungsbereitschaft für Qualifizierungsmaßnahmen fördern

Der Fachkräftemangel stellt die deutsche Wirtschaft zunehmend vor Herausforderungen. Laut einer aktuellen IAB-Studie konnten 36 Prozent der befragten Unternehmen ihre offenen Stellen zwischen 2021 und März 2022 nicht besetzen. Die drei häufigsten Konsequenzen: Anordnung von Überstunden (60 Prozent), keine volle Auftragsbearbeitung (59 Prozent) und Ablehnung von Aufträgen (55 Prozent). Bei der Frage, welche Strategien Betriebe haben, um personelle Engpässe zu lösen, gaben über drei Viertel der Unternehmen die berufliche Weiterbildung an.

Auch wir führen gerade eine Studie zum Thema »Qualifizierung« in norddeutschen Unternehmen durch. Die endgültigen Ergebnisse erscheinen im Herbst. Was sich aber bereits abzeichnet: Die vom IAB erhobenen Zahlen decken sich mit unseren Ergebnissen: Qualifizierung, Weiterbildung und Umschulungen werden immer relevanter für Unternehmen. Erstaunlich ist auch, dass die Mehrzahl der von uns Befragten keine staatlichen Förderungen für Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch nimmt. Sind die Instrumente und Antragsmodalitäten hierfür nicht weitreichend bekannt?

Eine Frage der Veränderungsbereitschaft

Diese Punkte können wir nicht beantworten. Aber: Wir können unsere Eindrücke aus dem Inneren derjenigen Unternehmen wiedergeben, mit denen wir tagtäglich zu tun haben  –  und die vom Fachkräftemangel betroffen sind. Was uns hier immer wieder auffällt: Veränderungsbereitschaft ist die absolute Voraussetzung für den Erfolg von Qualifizierungsmaßnahmen. Gerade wenn infolge von Umstrukturierungen bestimmte Bereiche obsolet werden. Nur, wenn die betroffene Belegschaft bereit ist, sich auf Neues einzulassen, wird die Qualifizierung und anschließende Versetzung in andere Abteilungen erfolgreich sein. Doch wann sind Mitarbeitende bereit, sich zu verändern? Wir stellen immer wieder fest: Die Veränderungsbereitschaft steigt, wenn:

Der Leidensdruck zur Veränderung hoch ist:

Das ist z. B. in Abteilungen der Fall, die vom digitalen Wandel betroffen sind und wo sich die Mitarbeitenden und der Arbeitgeber ohnehin überlegen müssen: Wie geht es weiter?

Die Verantwortlichen eine klare Perspektive vermitteln:

Wer das „Warum“ erklärt und den Betroffenen Perspektiven aufzeigt, wie es für sie im Unternehmen weitergehen kann, schafft Verständnis für Veränderung.

Die ersten Schritte zur Umsetzung deutlich sind:

Wenn die Verantwortlichen gemeinsam mit den Betroffenen erste Schritte zur Umsetzung der Qualifizierungsmaßnahmen erarbeiten, steigt die Akzeptanz und das Interesse.

Die Ängste der Betroffenen ernst genommen und antizipiert werden:

Wer Ängste hat, baut Widerstand auf. Den Betroffenen die Ängste zu nehmen, gehört zu den wichtigsten Schritten, um Veränderungsbereitschaft zu wecken.

Keine Angst vor Veränderungen! Foto: Dylan Hunter @unsplash.com

Widerstände abbauen

Die Veränderungsbereitschaft der Betroffenen zu aktivieren, ähnelt einem klassischen Change-Prozess. Und so ist auch bei betrieblichen Veränderungsprozessen wie Qualifizierung und Versetzung in einen anderen Bereich, Widerstand vorprogrammiert. Das Problem: Betriebe nehmen Widerstände selten ernst. Oftmals steht das Unternehmen unter Zeitdruck, da ist Widerstand nur lästig. Also neigt die Personalabteilung dazu, ihn nicht zu beachten. Die Folge: Die Betroffenen fühlen sich nicht wahrgenommen und ziehen nicht mit. Ein konstruktiver Umgang mit Widerstand ist also ein zentraler Erfolgsfaktor für die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden. Es gibt drei Ebenen von Widerstand, die Verantwortliche unterschiedlich begegnen sollten:

1) »Ich verstehe es nicht!«

Die Betroffenen haben die Ziele, die Hintergründe oder die Motive einer Maßnahme nicht verstanden. In diesem Fall ist es wichtig, die Kommunikation im Veränderungsprozess zu verbessern. Hier geht es darum, sowohl die Notwendigkeit (warum?) als auch die Dringlichkeit (warum jetzt?) zu vermitteln. Ebenso sollten Verantwortliche die Ziele des Veränderungsprozesses und den Weg dorthin verständlich machen.

2) »Ich bin nicht überzeugt!«

Die Betroffenen haben eine andere Meinung zum Veränderungsprozess. Sie sind nicht davon überzeugt. Die Aufgabe der Verantwortlichen liegt darin, die individuellen Einschätzungen, auf denen der Widerstand basiert, zu verändern. Dafür ist ein Dialog auf Augenhöhe notwendig  –  mit dem Ziel, die Betroffenen zu überzeugen.

3) »Ich will es nicht!«

Die Betroffenen sind nicht bereit, sich nicht auf den Veränderungsprozess einlassen  –  obwohl sie die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen erkennen. Das ist die schwerwiegendste Ebene von Widerstand. Kommunikationsmaßnahmen lösen die Situation oftmals nicht. In vielen Fällen ist der einzige Weg, zu verhandeln oder einen Machtentscheid zu treffen.

Employability-Management aufsetzen

Durch den digitalen Wandel fallen auf der einen Seite Stellen weg  –  auf der anderen Seite kommen auch neue Stellen hinzu. Wer vom Wandel betroffen ist, stärkt durch Qualifizierungen, Weiterbildungen oder Umschulungen seine Beschäftigungsfähigkeit (Employability). Die Veränderungsbereitschaft spielt dafür eine zentrale Rolle. Die Verantwortung dafür liegt aber nicht allein bei den Betroffenen. Thomas Sattelberger, Prof. Dr. Jutta Rump und Heinz Fischer stellen schon 2006 klar, dass »Employability nur dann erfolgreich ausgebildet und erhalten werden kann, wenn sowohl das Individuum als auch der Arbeitgeber agieren.«

Wenn Unternehmen auf strategischer und operativer Ebene ein Employability-Management aufsetzen, fördern sie kontinuierlich die Veränderungsbereitschaft der Belegschaft. Die Mitarbeitenden gewinnen an Qualifikationen und erhöhen ihre Arbeitsplatzsicherheit. Und die Unternehmen können ihr Personal flexibler einsetzen, die Innovationskraft steigern und die Kundenorientierung verbessern. Offene Stellen können intern besetzt  –  und Aufträge wieder mit voller Kapazität bearbeitet werden.

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